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Lettering-Bücher von früher

Lettering gibt es nicht erst seit gestern und alte Bücher erklären die Grundlagen der Schriftgestaltung oft einleuchtender als die heutigen. Diese fünf Vintage-Bücher habe ich immer griffbereit.

Keine Schaumschlägerei

Hildegard Korgers Anleitung zum Schreiben und Gestalten von Schrift ist gründlich, anspruchsvoll – und praktisch. Sie beginnt mit den allgemeinen Grundlagen der Gestaltung – Kontrast, Rhythmus, Farbe – und endet mit detaillierten Hinweisen für alle möglichen Anwendungszwecke handgezeichneter Schrift: Schriftzüge, Urkunden, handgeschriebene Bücher, Verpackungen, Wortmarken, Plakate …

Dazwischen legt Korger mit einem Schreiblehrgang für Anfänger*innen das Fundament und führt mit einem Lehrgang für Fortgeschrittene durch die Schriftgeschichte von der römischen Kapitalschrift bis zu den Schriften des 19. Jahrhunderts.

Die Autorin war Professorin an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig und das Buch enthält auch einige kyrillische Alphabetvorlagen – wohl weil es zuerst 1971 in der DDR erschienen ist und dort mit mehreren Auflagen zum Grundlagenwerk wurde.

Mein Lieblingssatz steht auf Seite 175: »Schaumschlägerei ergibt noch keinen Schriftzug.«

Hildegard Korger
Schrift und Schreiben
Ein Fachbuch für alle, die mit dem Schreiben und Zeichnen von Schriften und ihrer Anwendung zu tun haben
Fachbuchverlag Leipzig, 7. Auflage 1991
260 Seiten, gebunden

Doppelseite aus dem Buch Hildegard Korger, Schrift und Schreiben

Doppelseite aus dem Buch »Schrift und Schreiben« von Hildegard Korger

Cover des Buch Schrift geschrieben, gezeichnet und angewandt von Ernst Bentele

Ernst Bentele
Schrift geschrieben gezeichnet und angewandt
Ein Lehrbuch für Schriftenmaler, Graphiker und sonstige schriftgestaltende Berufe
Karl Gröner Verlag, Ulm, ca. 1953
206 Seiten, gebunden

Mehr als Handgeschicklichkeit

Pädagogisch liegt dieses Buch ganz auf meiner Linie, das zeigt schon der erste Absatz:

»Der Sinn dieses Buches ist nicht, Schriftvorlagen zu bieten, an denen sich der Lernende in mehr oder weniger geschickter Weise ‚versucht‘, die er gut oder schlecht kopiert und anwendet. Schriftgestaltung ist nicht nur eine Angelegenheit der Handgeschicklichkeit, wenn diese auch bei der Übung und Ausführung eine bedeutende Rolle spielt. Die Hand wird vom Kopf geführt und muß fortgesetzt vom Auge kontrolliert werden. Daher wurde versucht, erst den ‚Blick für die Schrift‘ zu schulen und den Lernbegierigen mit allen Problemen der Schriftgestaltung vertraut zu machen.«

Mein Reden!

Doppelseite aus dem Buch "Schrift geschrieben, gezeichnet und angewandt" von Ernst Bentele

Doppelseite aus dem Buch »Schrift geschrieben gezeichnet und angewandt« von Ernst Bentele

Über den Autor Ernst Bentele ist im Internet wenig zu erfahren, obwohl dieses Fachbuch für Schriftenmaler Standardwerk gewesen sein muss, denn noch immer ist es relativ leicht, ein Exemplar zu ergattern. Bentele erklärt die Grundlagen der Schriftkonstruktion und -gestaltung mit einem besonderen Fokus auf die Umsetzung von großer Schrift an Fassaden. Er stellt die wichtigsten Schriftstile vor und zeigt viele Variationsmöglichkeiten. Selbst wenn man keine Zeile in diesem Buch liest – die Beispiel-Alphabete und Schriftzüge im Stil der 1950er Jahre sind eine große Inspiration.

Der Karl Gröner Verlag in Ulm war übrigens auch Herausgeber von »Der Schriftenmaler«, einer »Fachzeitschrift für den Schriftenmaler und allen in der Schriftgestaltung tätigen Berufe.« Die Hefte aus den 1950er und 1960er Jahren zeigen tolle Gestaltungsbeispiele, geben praktische Tipps und erlauben einen Einblick in den Beruf des Schildermalers während seiner Blütezeit.

Stetes Streben

Auch Helm Wotzko hält nichts von Alphabetvorlagen zum Abzeichnen. Deswegen zeigt er nur fünf grundlegende Schriftstile und hat als Beispiel für die endlosen Möglichkeiten die Grundschriften zu variieren, dutzende Male das gezeichnet, worum es seiner Meinung nach beim Lettering geht: »Always endeavour to find some interesting variation«. Mit diesen Beispielen belegt er alles, was er in seinem handlichen Buch erklärt. Seine Beispiele sind nicht gerade extravagant – aber in ihrer Schlichtheit überzeugend.

In der Einleitung schreibt der Autor: »If I had not felt a definite need for this book I obviously would not have undertaken to write it.« Sympathisch, genau so ging es mir bei meinen Büchern auch.

Cover des Buchs "The Art of Hand Lettering" von Helm Wotzkow

Helm Wotzkow
The Art of Hand Lettering
Dover Publications, New York, 1952
320 Seiten, Broschur

Detail aus dem Buch »The Art of Hand Lettering« von Helm Wotzkow

Mutterschriftabwandlungen

Mit diesem Buch macht Eugen Nerdinger seinem Namen alle Ehre: Seine »Bemühungen um die Schrifterziehung«, sind nicht nur, wie er schreibt »notwendig«, sondern auch ausgesprochen nerdig. Die 26 Kapitel sind mit den einzelnen Buchstaben des Alphabets überschrieben, sie führen in den drei Abschnitten »Ergebnisse«, »Bedingungen« und »Technik« von den Ursprüngen der Lateinischen Schrift durch ihre Geschichte bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts, in der das Buch erschienen ist.

In Kapiteln mit Namen wie »Scheinbeeinflusste Formwirkung« und »Mutterschriftabwandlungen« geht es dann weiter durch die Prinzipien der Schriftgestaltung und -Anwendung. Wenn ich scharf nachdenke, kann ich mir zusammenreimen, worum es in diesen Kapiteln geht, ich frage mich nur, ob man das nicht auch schon vor fast 60 Jahren einfacher hätte ausdrücken können.

Dass Nerdinger es ernst meint, zeigt auch der Umfang des Buchs. Es hat nicht nur 220 Seiten Text, sondern auch 136 Bildtafeln mit 100 Alphabeten, die der Autor selbst gezeichnet hat. Auch für dieses Buch gilt: Allein die Abbildungen bringen mein Gehirn zum Brennen.

Cover des Buchstabenbuch von Eugen Nerdinger

Eugen Nerdinger, Lisa Beck
Buchstabenbuch
Schriftentwicklung, Formbedingung, Schrifttechnik, Schriftsammlung
Verlag Georg Callwey,
München, 1955
220 Seiten plus 136 Bildtafeln, gebunden

Doppelseite aus dem Buchstabenbuch vonEugen Nerdinger

Detail aus dem »Buchstabenbuch« von Eugen Nerdinger und Lisa Beck (die selbstvertändlich nicht auf dem Titelblatt genannt wird)

Cover des Buchs Commercial Art of Show Card Lettering von James Eisenberg

James Eisenberg
Commercial Art of Show Card Lettering
Van Nostrand Company, New York, 1945
150 Seiten, gebunden

Eine vielversprechende Spezialisierung

Bücher – man muss sie lieben! Denn wie faszinierend ist es bitte, heute ein Buch zu lesen, das 1945 in den USA erschienen ist, das Plakatmalerei als vielversprechende Spezialisierung in der Werbebranche empfiehlt und postuliert, dass Lettering beim »graphically telling for the purpose of selling« eine wichtige Rolle spielt.

Und die Anleitungen und Tipps in »Commercial Art of Show Card Lettering« sind fast 80 Jahre später immer noch hilfreich. Das Buch gibt eine umfassende Einführung ins »Show Card Lettering«, bei dem es – im Gegensatz zum Sign Painting – meist um die Gestaltung von Schildern und Tafeln für Innenräume geht. Deswegen wird dabei mit wasserlöslichen Farben auf Papier in kleineren Größen gearbeitet. Neben den vielen Alphabetvorlagen und Tipps individuelle Variationen, ist besonders das Kapitel zum Thema Layout interessant, weil es so schön klare Vorgaben macht, wie die Elemente auf einer Fläche anzuordnen sind.

Doppelseite aus dem Buch Commercial Art of Show Card Lettering von James Eisenberg

Doppelseite aus dem Buch »Commercial Art of Show Card Lettering« von James Eisenberg

Ich weiß nicht mehr, wie ich auf dieses Buch gekommen bin, aber als ich an der School of the Art Institute of Chicago studiert habe, konnte ich per Fernleihe Bücher aus allen Bibliotheken im Staat Illinois bestellen. Auch 120 Jahre alte Titel wurden einfach in Zip-Lock-Beutel gesteckt und waren am nächsten Tag da. Der Himmel auf Erden! Die Bibliothekarinnen kannten mich schon, ich war in all den Jahren die Einzige, die das Ausleih-Limit von 75 Büchern erreicht hat.

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