
Stilvoll in die 1920er reisen
Titel-Lettering für »Die Andere Bibliothek«
Beim Lettering ist kein Buchstabe wie der andere, auch wenn die Schrift so sorgfältig gezeichnet ist, dass sie fast aussieht wie ein Font. Aber achtet überhaupt jemand auf solche Details? Ich glaube: Die Leser der Anderen Bibliothek schon.
Lettering: Von der Skizze zur Headline
»Der Berg Athos« ist der zweite Reisebericht des britischen Dandys Robert Byron. Byrons erstes Buch, »Europa 1925«, ist bereits in der Anderen Bibliothek erschienen und die Gestaltung des zweiten Bandes sollte dazu passen.
Die Ausstattung innen sollte von »Europa 1925« übernommen werden und als Covermotiv war wieder ein buntes, historisches Reiseplakats gesetzt. Doch für den Titel des neuen Bandes sollte kein vorgefertigter Font verwendet werden, sondern individuell gestaltete Schrift – Lettering. Es galt also, eine Schrift zu entwickeln, die zur Anmutung des Vorgängerbands und zu der Zeit der Reise passt.
In lockeren Skizzen probiere ich verschiedene Stile aus – Großbuchstaben, gemischte Schreibweise, Schreibschriften, pseudogriechische Buchstaben mit Ecken statt Rundungen, wie man sie von den Schildern griechischer Restaurants kennt.
Projekt
Titellettering für Robert Byron, Der Berg Athos
Format
12,7 x 22 cm
Jahr
2020
Verlag
Die Andere Bibliothek
»Hier geht es um die 1920er-Jahre!«
In der Schriftgestaltung verweisen bestimmte grafische Codes auf die 1920er-Jahre. Schmale Buchstaben zum Beispiel sind charakteristisch für viele Schriften des frühen 20. Jahrhunderts. Das traf sich gut, denn Titel und Untertitel des neuen Byron-Bandes – »Der Berg Athos, Reise nach Griechenland« – sind wesentlich länger als beim Vorgängerband »Europa,1925«. Um die Worte jeweils in einer Zeile unterzubringen, mussten die Buchstaben also schmaler sein.
Dass sich das O nicht nur in Vornamen, Namen und Titel wiederholt, sondern auch in der Form des G im Untertitel anklingt, war ein glücklicher Zufall. Die kreisrunde Form von O und G betont im Kontrast die schmalen Formen der übrigen Buchstaben. Phantasiebegabte Menschen denken dabei vielleicht auch an ein Bullauge, an die Linse eines Fernglases oder das Monokel eines Dandys.
Ein weiteres Charakteristikum für die Schriften der 1920er Jahre ist die verschobene Mittellinie der Buchstaben: Der mittlere Balken des E und die Mitte von B und R sind je nach Kontext im Wort mal nach unten und mal nach oben versetzt. Auch dass der Querstrich von A, H und E an der linken Seite über den Buchstaben hinausragt, ist typisch. Die Unruhe der tanzenden Querstriche auszugleichen, habe ich mich für die ruhige Klarheit einer monolinearen Schrift entschieden, bei der die Strichstärke der Buchstaben ist überall nahezu gleich ist. Die leichten Unebenheiten machen den Charme handgezeichneter Schrift aus.
Schrift mit Tiefenwirkung
Die Anordnung des Autorennamens habe ich vom Vorgängerband übernommen. Durch die Staffelung der Schriftgrößen von oben nach unten sieht es so aus, als sei der Name weiter weg als der Titel und der Vorname noch weiter. Das verstärkt die Tiefenwirkung des Bildes und erzeugt einen Eindruck von Weite, der gut zum Thema passt.
Probeweise machte ich aus den Schriftskizzen Coverentwürfe, um mit der Herstellungsleiterin Katja Jäger die Richtung abzustimmen.
Lettering für die Kapitelüberschriften

Auf der Titelseite steht das Lettering vom Cover noch einmal. Die räumliche Wirkung bleibt auch ohne das Covermotiv erhalten.