Wie ich mein Schaufenster mit Lettering bemale
Passend zu meiner Profession male ich seit 2018 alle paar Monate ein Alphabet auf mein Büroschaufenster. Hier beschreibe ich, wie ich vorgehe und beantworte alle Fragen, die mir zu den »Window Alphabets« immer wieder gestellt werden.

Foto: Hari Klein
Material
- Zeichen- und Transparentpapier
- Kreide-Schlagschnur für Hilfslinien
- Buntstift zum Zeichnen auf Glas für die Vorzeichnung
- Klebeband
- Pinsel – zum Beispiel Flachpinsel, Rundpinsel, Schwammpinsel
- weiße oder helle Acrylfarbe
- Palette, zum Beispiel ein Pappteller
- Gefäß mit Wasser
- Pipette, um das Wasser zum Verdünnen der Farbe zu dosieren
- Lappen
- Malervlies oder Plane zum Abdecken des Bodens
- gegebenenfalls ein Stuhl oder eine Leiter
- Arbeitskleidung und Schuhe, Schürze

Schaufenster bemalen – Schritt-für-Schritt-Anleitung
1. Idee entwickeln
Meine Lettering-Alphabete entwickele ich, indem ich ständig in meinem Skizzenbuch zeichne. Ab und zu entstehen dabei Ideen, die ich gerne in groß sehen würde oder die sich als Schaufenster-Alphabet eignen.


2. Den Entwurf ausarbeiten
Wenn ich eine Idee gefunden habe, zeichne ich einen Entwurf in den Proportionen meines Fenster. Den Entwurf zeichne ich etwa so groß wie meine Hand und arbeite sie in meheren Arbeitsschritten auf Transparentpapier aus.
3. Skizze vorbereiten
Den ausgearbeiteten Entwurf versehe ich mit einem Raster, das ich vergrößert auch auf der Scheibe anbringe. So kann ich die Zeichnung leichter übertragen.


4. Fenster von außen putzen
Das vorige Alphabet feuchte ich mit warmen Wasser und wasche es mit einem Schwamm ab. Farbreste entferne ich mit einem Schaber. Dann putze ich die Scheibe noch einmal mit Fensterreiniger, denn wenn sie bemalt ist, kann ich sie nicht putzen, das würde die Farbe anlösen.
5. Hilfslinien ziehen
Anhand des Rasters auf meiner Skizze rechne ich die Abstände für die Hilfslinien aus. Ich messe sie auf der Scheibe aus und mache mir mit einem Buntstift, der auf Glas schreibt Markierungen. Dann schlage ich mit einer Schlagschnur Kreidelinien auf die Scheibe.


Foto: Hari Klein
6. Alphabet innen vorzeichnen
Die Vorzeichnung mache ich innen auf der Scheibe mit einem Buntstift, der auch auf Glas zeichnet. Ich zeichne freihand und orientiere mich an dem Raster.
7. Alphabet außen malen
Ich male von außen frei Hand mit weißer Acrylfarbe, meistens mit einem Flachpinsel. Korrekturen mache ich mit einem Schaber mit Rasierklinge. Ich male in weiß, weil man das auf dem dunklen Hintergrund des Raumes am besten sieht.
8. Fenster von innen putzen
Zum Schluss entferne die Vorzeichnung und putze ich das Fenster noch einmal von innen.

Häufige Fragen
Welche Farbe verwendest du?
Ich male meine Alphabete mit einfacher Acrylfarbe. Die lässt sich leicht wieder entfernen, entweder mit einer Rasierklinge oder mit Wasser und einem Schwamm. Wenn ich die Farbe anfeuchte, löst sie sich und lässt sich ganz leicht abwaschen. Reste kratze ich mit einem Schaber mit Rasierklinge ab.
In den meisten Fällen ist es sinnvoll, weiß oder eine andere helle Farbe zu verwenden, denn weil Fensterscheiben von weitem dunkel aussehen, sind helle Farben am besten zu sehen.
Achtung: Auf meinem Schaufenster hält die Acrylfarbe monatelang, weil das Haus über dem Fenster einen Meter vorspringt. So ist die Scheibe vor direktem Regen geschützt. Ich habe mal ein Schaufenster bemalt, das dem Regen ausgesetzt war, dort hat die Feuchtigkeit die Acrylfarbe innerhalb von wenigen Tagen brüchig gemacht und teilweise abgewaschen.
Ich habe keine Tipps, welche Farbe sich für Fenster eignet, die nicht vor dem Regen geschützt sind. Meine Empfehlung wäre, spiegelverkehrt von innen zu malen.


Welcher Font ist das?
Meine Schaufenster-Alphabete – wie meine ganze Arbeit – basieren nicht auf bestimmten Fonts, sondern ich entwerfe die Schriften selbst. Das ist der Witz an der Sache.
Nach zehn Jahren Spezialisierung auf Schrift kenne ich die Grundformen der verschiedenen Schriftstile so gut, dass ich sie frei variieren kann. Das ist überhaupt die Idee der Schaufenster-Alphabet-Serie: Ich wandele die vertraute Grundform des Alphabets immer wieder neu ab.
Wie kommst du auf die Ideen für deine Alphabete?
Ich entwickele meine Ideen in meinem Skizzenbuch, indem ich ständig zeichne. Alles mögliche kann eine Anregung für ein Alphabet sein. Auf das Weirdphabet bin ich gekommen, weil mir jemand erzählt hatte, dass ihr Kleinkind das »E« mit beliebig vielen Querbalken malt. Beim Monoline-Alphabet wollte ich ein Schreibschrift-ABC und alle 26 Buchstaben nebeneinander auf die Scheibe quetschen – da wird dann automatisch jeder Buchstabe sehr schmal.
Malst du das alles von Hand oder benutzt du Schablonen?
Ich male von Hand, ohne Schablonen. Je nach Alphabet mache ich mir entweder eine relativ genaue Vorzeichnung oder ich male freihand. Das kann ich, weil ich sehr, sehr viel Erfahrung mit meinen Händen habe. In der Nachbarschaft meines Büros wohnt ein Malermeister, als er mich mal gerade Linien hat ziehen sehen, hat er anerkennend genickt.
Auf den Fotos mit der Gesamtansicht sehen die Buchstaben sehr gleichmäßig aus, aber aus der Nähe sieht man die Unregelmäßigkeiten. Das Angenehme beim Malen auf Glas ist, dass ich jederzeit korrigieren kann, indem ich die Farbe wieder abschabe. Ich habe schon mal ein halbes Alphabet wieder abgekratzt, weil ich erst beim »P« gemerkt habe, dass ich das »G« vergessen hatte.
Warum machst du das?
Na, aus Spaß natürlich! Wenn ich schon so eine schöne große Schaufensterfläche zur Verfügung habe … Nebenbei erfüllt das Schaufenster so seinen ursprünglichen Zweck: Alphabete machen auf meine Arbeit aufmerksam. Gleichzeitig dienen sie mir als Gardine, die die Schaulust der Passanten bändigt – mein Büroraum ist nicht sehr tief und viele der Menschen, die daran vorbeigehen, bleiben stehen und schauen mir auf die Finger: »Guck mal, die malt!« Da gebe ich ihnen lieber einen anderen Blickfang.

Foto: Hari Klein
Alle Schaufenster-Alphabete im Überblick
Seit dem ersten Window Alphabet im Oktober 2018 habe ich neun Schaufenster-Alphabete gemalt. Dies ist eine chronologische Übersicht, in meinem Portfolio gibt es die Fotos auch in groß.

Ligature Alphabet, 10. 2018

Frakturphabet, 06. 2019

Weirdphabet, 12. 2019

Monoline Condensed, 03. 2020

Dripphabet, 05. 2020

Horizontalphabet, 08. 2020

Snowballphabet, 12. 2020

Patternphabet, 07. 2021

Wobblephabet, 04. 2022
Ich freue mich immer wieder, wenn ich bei Dir am Schaufenster vorbeiradel, es sieht klasse aus und macht jedes Mal wieder gute Laune.
Danke, das ist ein schönes Kompliment! Ich sehe zu, dass ich weiterhin für gute Laune sorge 🙂